Tamara Avdiivka Awdijiwka


Tamara, 69 Jahre, das Treffen mit Tamara und ihrem Enkelkind Zhenia fand in Avdiivka statt, einer kleinen Stadt direkt an der Frontlinie auf der Seite, die von der ukrainischen Armee kontrolliert wird.
Im Mai 2017 wurden in Avdiivka Tamaras Tochter (Zhenias Mutter) und drei weitere Erwachsene von einer Granate getötet und ihr Enkelsohn schwer verletzt. Inzwischen ist Tamara mit ihrem Enkelkind Zhenia an einen sicheren Ort gezogen.


»Zhenia ist mit ihrer Mutter aus Kyiv nach Avdiivka gekommen, da die Mutter bestimmte Medikamente abholen wollte; sie waren schon monatelang nicht mehr hier und lebten seit Dezember 2016 in Kyiv.
Mein Enkelsohn Artiom war unerwarteterweise auch in dem Haus und liegt jetzt schwer verwundet im Krankenhaus in Dnipro.
Artiom hatte den Kindern Süßigkeiten ins Haus gebracht und etwas am Computer gezeigt. Es war 19.05 Uhr, als Artiom wieder zu den anderen nach draußen vor das Haus gegangen ist, die unter eine Markise saßen, als eine Granate einschlug. Alle vier Menschen, die sich dort befanden, wurden getötet und Artiom sehr schwer verletzt, es war ein schrecklicher Anblick. Mein Mann und ich waren in dem Moment nicht dort. Zhenia und ihre vierjährige Freundin Sasha hielten sich in dem Augenblick noch in einem Zimmer im Haus auf und hätten auch sterben können. Mein Enkelsohn Artiom befand sich seitdem in einem künstlichen Koma, er ist erst kürzlich aufgewacht, aber dann erneut wieder ins Koma gefallen. Nachdem er auch wieder aus dem zweiten Koma erwacht ist, ist er auf Rehabilitation angewiesen. Mein Enkelsohn ist sehr schwer verletzt worden und die Ärzte können uns keine Hoffnung versprechen, er kann jeden Moment sterben. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt seine Kopfverletzungen überlebt hat.
Als die Granate einschlug, dachten Zhenia und ihre Freundin im Haus, dass Luftballons geplatzt sind, und sind nach draußen gelaufen. Draußen lagen alle rum und waren mit Staub bedeckt und als die Kinder gesehen haben, was passiert ist, sind sie schreiend barfuß auf die Straße gerannt und die Nachbarn kamen aus den Häusern.
Es war nur ein Zufall, dass die Kinder überlebt haben. Ich versuche jetzt, alle notwendigen Dokumente für Zhenia zu besorgen, damit wir nach Sloviansk ziehen, denn hier ist es unmöglich für uns, weiterzuleben.
Haben Sie es gehört?
(In diesem Augenblick des Gesprächs mit Tamara, hört man Detonationen ca 2 km von Tamaras Wohnort entfernt.)
Das ist nichts verglichen mit dem, was hier passiert ist. Manchmal wackeln die Hauswände von den Detonationen. Wir müssen hier weg. Mein Enkelkind Zhenia hat jetzt Angst, allein im Haus zu sein und in der Dunkelheit. Wenn wir zu dem Ort hingehen, wo alles passierte, ist es ganz unmöglich. Dort ist immer noch alles mit Blut befleckt und Zhenia nimmt Blumen und legt sie dort für ihre Mutter hin.
Ich bin der Kharkiv Region aufgewachsen. Mein Vater war russisch und arbeitete als Lokomotivführer und meine Mutter war ukrainisch. Ich erinnere mich an vieles aus meiner Kindheit, zum Beispiel die Winter und wie wir draußen gespielt haben. Als ich vier Jahre alt war, haben sich meine Eltern getrennt und ich lebte mit meinen Großeltern und einem Onkel auf einem Bauernhof. Dort hatten wir Hühner, Gänse und eine Kuh. Meine Großeltern haben hart gearbeitet und waren wie Eltern für mich.
Alle meine Wünsche beziehen sich nur auf Zhenia und meinen Enkelsohn Artiom. Zhenia hat jetzt nur noch ihre Großmutter und ihren Großvater. Ich hoffe sehr, dass Artiom es schafft. Die Eltern von Zhenia waren geschieden und ihr Vater ist schon vor längerer Zeit gestorben. Manchmal trifft sich Zhenia mit ihrer Freundin Sasha, die jetzt auch alleine ist und von ihrer Großmutter betreut wird.
Nichts ist schlimmer, als seine eigenen Kinder zu verlieren.
Die ganzen Gespräche, die sich um den Krieg drehen, sind völlig nutzlos, wir wollen nur, dass es endlich aufhört. Wir leben ständig unter Anspannung, besonders die Kinder.
Es ist Schicksal, dass ich nicht an dem Tag auch dort gewesen bin und jedes Mal, wenn ich zu dem Haus gehe, sagen mir die Nachbarn, auch uns hätte es treffen können. Ich versuche jetzt, mich um die Bedürfnisse von Zhenia zu kümmern. Die Polizei kümmert sich auch um Zhenia und hat sie in den Sommerferien zum Urlaub ans Meer gebracht.
Ich wollte die Kleider von Zhenias Mutter an Nachbarn geben, aber Zhenia wollte die Kleidung ihrer Mutter als Erinnerung behalten.
Also, was soll ich tun?«
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