Tatjana


Tatjana, 27 Jahre, hat Jura studiert, arbeitet im Immobiliensektor und nebenher als Freiwillige in einem Sommercamp


»Ich arbeite im Camp als Freiwillige und trage viel Verantwortung, zum Beispiel organisiere ich den Sport- und Musikbereich, biete Foto- und Videokurse an und versuche ganz allgemein mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, um sie besser zu verstehen.
Ich möchte wissen, was die Kinder glauben, denn für mich haben der Glauben und das Beten einen sehr großen Einfluss. Ich versuche, das Kriegsthema bei den Kindern nicht anzusprechen und bei meiner Arbeit beachte ich, eine zu starke Bindung zu den Kindern zu vermeiden, damit die Kinder nicht darunter leiden, wenn sie mich nach dem Ende des Camps nicht mehr sehen. Im Camp bin ich die ganze Zeit natürlich für die Kinder da, höre ihnen zu und spreche mit ihnen. Besonders den Kindern, die ihre Eltern verloren haben, versuche ich viel Zuneigung entgegenzubringen.
Am stärksten beeindruckt es mich, wenn Kinder mich bitten, für etwas zu beten, zum Beispiel, dass ihr Vater sie wieder liebt oder dass sie wieder einen Vater haben werden. Solche Situationen sind für mich am schwierigsten und bleiben in meiner Erinnerung haften. Nach Beendigung des Camps versuche ich, mit den anderen Koordinatoren des Camps und den Kindern über Viper in Kontakt zu bleiben.
Was für die Kinder am Wichtigsten ist, hängt immer vom einzelnen Kind ab. Es gab ein Camp mit Kindern aus sozial stark betroffenen Familien und dort war Nahrung für die Kinder am wichtigsten. Als wir gemerkt hatten, wie wichtig das Essen für diese Kinder war, haben wir für sie Pelmeni, Wareniki* und Kartoffeln mit Speck zubereitet. Die Kinder haben das Essen so schnell aufgegessen, dass niemand es ihnen wieder wegnehmen konnte. Fast jedes dieser Kinder war hungrig und viele hatten Sandalen an, die zu klein oder kaputt waren.
Aber in dem Camp, wo ich jetzt arbeite, kommen die Kinder aus glücklicheren Familien und hier geht es eher darum, ihnen eine Abwechslung und eine Show anzubieten.
An erster Stelle steht für mich, dass Kinder Gott lieben und Gott für sich selbst finden. Die Kinder erhalten damit ein Fundament für ihr weiteres Leben, wenn sie zum Beispiel von ihren Eltern verlassen werden. Aber Gott wird sie niemals verlassen. Wichtig ist mir, dass die Kinder sehen und verstehen, wie die Religion angewendet wird und dass sie konkrete Beispiele bekommen, wie sich die Religion im Alltag zeigt. Daneben ist auch Sport- und Kunstunterricht für die Kinder wichtig, damit sie sich ablenken können. Beim Sport benutzen wir keine Luftballons, denn wenn diese platzen, können Kinder sich sehr erschrecken, die Schusswechsel mitbekommen haben. Ebenso versuchen wir, die Türen nicht laut zuzuknallen. Das Türknallen kann bei Kindern Assoziation an Explosionen und Schüsse auslösen.
Von den Kindern habe ich gelernt, dass sie alle unterschiedlich sind und wenn ich ein Kind anlächele und das Kind lächelt zurück, dann ist es manchmal nicht das Kind, welches dieses Lächeln braucht, sondern ich selbst. Dieses positive Feedback der Kinder macht einen selbst auch stärker.
Ich finde, dass die Welt dieser Region mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen sollte und in manchen Dörfern in der Ostukraine brauchen Kinder viel mehr Zuneigung und Liebe als an anderen Plätzen in der Ukraine. Die Menschen in der Ostukraine unterscheiden sich nicht von anderen Menschen, auch wenn manche Fälle ein bisschen besonders sind. Manche Eltern verstehen nicht, wie stark ihre Kinder betroffen sind und sie wissen nicht, was sie ihren Kindern antun, wenn sie sie verlassen. Diese Kinder suchen dann woanders Zuneigung, zum Beispiel auf der Straße oder bei Tieren. Wenn es hier mehr Hilfe und Unterstützung von Freiwilligen gäbe, dann wären diese Kinder nicht auf solche Zuneigung angewiesen.«

Pelmeni, Wareneki: gekochte, gefüllte Teigtaschen, beliebtes Essen in den gesamten, ehemaligen Sowjetrepubliken
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