Jegor


Jegor, 13 Jahre, Bruder von Daniel, lebt in einem Dorf direkt an der Frontlinie


»Ich habe einen Bruder und lebe mit meinen Eltern und Großeltern in diesem Dorf. Bevor wir in unser jetziges Haus gezogen sind, habe ich im Haus Nr.15 gelebt und dort die Schule bis zur zweiten Klasse besucht. Dann sind wir nach Horlivka gezogen, weil mein Vater dort eine Arbeit gefunden hat, aber als der Krieg begann, sind wir wieder ins Dorf zurückgezogen.
Das Erste, was ich vom Krieg gesehen habe, waren Leute, die militärisches Material verladen haben, und Soldaten. Drei bis vier Monate, bevor alles losging, liefen hier viele Soldaten rum.
Als wir von Horlivka wieder ins Dorf zurückgezogen sind, war ich glücklich, da ich wieder meine Großmutter gesehen habe und vorher in Horlivka hatte ich kaum eine Gelegenheit, sie zu besuchen.
Ich weiß noch nicht genau, wo für mich die Schule weitergeht, hier oder in Bakhmut, was weiter entfernt ist. In Horlivka war der Unterricht in Ordnung, ich hatte dort auch Ukrainisch und einmal pro Woche ukrainische Literatur. Aber natürlich auch Russischunterricht und der gesamte Unterricht fand in russischer Sprache statt. Auch Sicherheitstraining bekamen wir dort, unsere Lehrerin hat uns viele Dinge gezeigt, die wir nicht berühren sollten, und uns Sachen erzählt vom damaligen* und von diesem Krieg. Wir hatten in der Schule auch ein Museum, in dem Gegenstände aus dem damaligen* und dem jetzigen Krieg ausgestellt sind. Horlivka liegt jetzt in DNR, also ist die Schule offiziell auch eine Schule von DNR.
Mir hilft in der jetzigen Situation, dass ich hier relativ ruhig leben und meiner Großmutter helfen kann, die erst kürzlich das Krankenhaus verlassen hat.
Im Alltag gibt es viele Veränderungen, so wurden Elektrizität und Wasser abgestellt und in der kalten Jahreszeit hatten wir weder Strom noch heißes Wasser. Ich würde nicht sagen, dass es ganz schlimm gewesen ist, aber es war schon sehr hart. Viele Leute haben uns geholfen und uns Wasser in unser Dorf gebracht. Ich habe keine große Lust, aus dem Haus zu gehen, um das Wasser zu holen, aber ich mache es trotzdem, um meiner Großmutter und meinen Eltern zu helfen.
Ich spreche immer noch mit meinen Freunden aus Horlivka und wenn sie Zeit haben, besuchen sie mich oder wir telefonieren.«

Jegor meint mit »damaligen Krieg« den Zweiten Weltkrieg.
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