english deutsch KILIAN FOERSTER
»Ich habe noch zwei Schwestern, eine lebt in Deutschland und die andere in den USA. Anfang Mai 2014 sind meine Eltern, meine Großmutter, mein Bruder und ich aus Luhansk nach Kyiv gegangen, wo ich jetzt die Schule besuche.
Nachts gab es in Luhansk die Luftangriffe, wir sind aufgewacht und haben unsere Sachen gepackt. Mein Vater und ich sind mit dem Auto gefahren und mein Bruder mit meiner Mutter im Zug, weil im Auto kein Platz mehr war, wir haben so viele Sachen mitgenommen. Zuerst dachten wir, der Umzug wäre nur für eine kurze Zeitdauer, aber dann wurde es länger und länger. Anfangs schickte unsere Großmutter uns auch noch Sachen mit der Post und irgendwann ist sie dann auch nachgekommen.
Vor dem Kriegsbeginn habe ich Demonstrationen mitbekommen. Ende April letzten Jahres saßen wir in einem Restaurant und haben eine Menschenmenge gesehen, die etwas gerufen haben, aber ich kann mich nicht erinnern, was sie riefen. Nachts kamen dann Kampfflugzeuge und in der Schule sagte man uns, dass wir zu Hause bleiben sollten, da es in der Schule zu gefährlich ist.
In meiner Schule in Kyiv habe ich die gleichen Fächer wie früher, außer russischer Literatur und Choreografie. Meine Lieblingsfächer sind Geografie und Mathe.
Über mein altes Leben in Luhansk spreche ich nur mit Mädchen, aber nicht mit Jungen. Ich würde mich sehr freuen, wenn unser altes Haus in Luhansk nach Kyiv transportiert werden könnte und unser Hund, auf den jetzt die Nachbarn aufpassen.
Wir werden wahrscheinlich erst wieder zurückgehen, wenn alles dort mit dem Krieg aufgehört hat. Angst habe ich nur nachts, wenn man nichts sehen kann. Ich denke oft an Luhansk und meine alten Freunde, die mir sagen, dass bei ihnen alles so weit in Ordnung ist. Meine alten Freunde aus Luhansk haben sich an die Bomben gewöhnt, für sie ist es jetzt normal.
Ich träume verschiedene, seltsame Sachen und manchmal träume ich von Luhansk und habe Albträume und ich weiß nicht, woher diese Träume kommen. Ich weiß nicht, was ich mir wünsche, vielleicht nur Tiere und meinen alten Hund.
Früher wollte ich immer Tierärztin werden und etwas mit Landwirtschaft machen, aber jetzt interessiere ich mich mehr für Computerspiele, Fotografie und Programmieren.«