ukraine kinder

Polina, 11 Jahre
 
»Als es vor einem Jahr in unserem Haus in Luhansk kein Strom und kein Wasser mehr gab und ständig geschossen wurde, sind meine Mutter, meine Geschwister und meine Onkel mit mir nach Kyiv gegangen. Mein Vater ist in Luhansk geblieben. Wir sprechen jeden Tag über Skype und es ist für ihn in Ordnung, aber ich weiß nicht, was er genau macht, da es dort jetzt schwierig ist, eine Arbeit zu finden.
Wir sind von Luhansk nicht direkt nach Kyiv gefahren, sondern erst auf die Krim. Wir sind über Russland auf die Krim gefahren und unser Fahrer wusste nicht genau den Weg dorthin. Wir haben dann in Russland an einem Checkpoint gefragt, wo der Weg zur Fähre auf die Krim ist.
Dann waren wir auf der Krim und sind von dort morgens mit dem Bus nach Kyiv gekommen. Es war nicht unmöglich, über Russland zu fahren, man brauchte nur – wie früher – die Zolldokumente zeigen.
Ich bin vorher auch schon in Russland gewesen, weil meine Tante dort lebt. Jedes Jahr bin ich dort ans Meer gefahren und ich spreche auch mit meiner Tante in Russland und sie sagt, dass bei ihr alles in Ordnung ist.
Direkt vom Krieg habe ich nicht so viel mitbekommen, weil es in unserem Wohnbezirk relativ ruhig war. Ich habe nur manchmal Schüsse gehört und einmal, als ich draußen mit einer Freundin Karten spielte, schlugen Patronen in der Nähe von uns ein. Wir sind dann schnell nach Hause gelaufen. Bevor wir aus Luhansk weggingen, fuhren noch mehrere Panzer ohne Abzeichen an unserer Wohnung vorbei.
Jetzt besuche ich in Kyiv die Schule und lerne viele Sachen: Unterricht, Unterricht und noch einmal Unterricht.
Wir haben Russisch und Ukrainisch und der Wechsel war für mich nicht so schwierig. Ich bin mit der ganzen Klasse befreundet, aber ich erzähle nichts von meiner Geschichte und warum ich hier bin.
Ich würde mich über eine Katze oder einen Hund freuen. Früher hatte ich eine Katze, die im Alter von sieben Jahren gestorben ist.
Angst habe ich vor Schlingpflanzen im Meer, weil sie so ungemütlich sind.
Ich vermisse besonders mein Vater und meine alte Katze. Ich bin nicht sicher, ob mein Vater zu uns kommt, da er in Luhansk auf die ganzen Wohnungen aufpasst, in denen noch alle unsere Sachen und Pflanzen sind. Manchmal träume ich etwas, das später dann wirklich so passiert. Aus Luhansk habe ich meine Kleider, Spielsachen und einen kleinen Stoffhasen mitgenommen, den ich zu meinem ersten Geburtstag bekommen habe.
Ich möchte gerne Journalistin werden, weil man dann viele interessante Dinge über andere Leute erfährt.«

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