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Sascha, Gründer einer NGO und des Sozialzentrums VPN-zone in Svitlodarsk


»Ursprünglich komme ich von der Krim. Als 2014 die Annexion begann, habe ich im Department für Military Education studiert, konnte das Studium nicht beenden und bin nach Odessa gegangen. Für meinen Master bin ich nach Kharkiv gezogen und dort habe ich vom Erasmus Programm in Polen erfahren und bin nach Polen umgezogen. Meinen Master habe ich in Elektrotechnik gemacht. Zuvor hatte ich schon ein Studium für alternative Energiequellen absolviert.
Seit zwei Jahren lebe ich nun als Freiwilliger in Svitlodarsk und studiere gleichzeitig noch weiter an der Ukrainian Catholic University in Lviv und am Institut of Leadership and Management, weil das sinnvoll für unsere NGO ist.
Der Raum für unser Zentrum hier ist relativ neu, wir haben im Sommer unsere Arbeit begonnen.
Der Name VPN (Virtual Private Network) für unser Zentrum hat sich ergeben, weil VPN zuerst von der ukrainischen Regierung verboten war, aber in der grauen Zone von allen benutzt wurde. Wir haben diesen Namen gewählt, weil jeder diesen Begriff verstanden hat und er in diesem Gebiet funktioniert.
Wir haben mit Training und Workshops im Zentrum angefangen, weil die Denkweise der Menschen hier für uns ein großes Problem ist. Der größte Traum für einen Schüler zum Beispiel ist es, nur die technische Schule zu beenden und das ist alles. Und nach dem Schulende denken viele nur daran, im Elektrizitätswerk von Svitlodarsk zu arbeiten.
Ich denke, das ist nicht normal und viele hier wissen nicht, wie viele Berufe und Möglichkeiten es außerhalb ihrer Stadt gibt. Viele Menschen aus Svitlodarsk sind niemals weiter als in die Nachbarstädte Bakhmut oder Slowiansk gereist und so ist meiner Meinung nach ihr Vorstellungsvermögen auch begrenzt. Unser Ziel ist es, diese Menschen weiter zu bilden und ihnen neue Gedanken zu vermitteln, zum Beispiel machen wir mit kleinen Gruppen Fahrten zu anderen Orten in der Ukraine, wie Kharkiv oder Lviv.
Einer unserer ersten Workshops hatte das Thema Critical Thinking und in einem anderen Workshop haben wir die Möglichkeiten von Fotografie gezeigt. Ein weiterer Workshop für Jugendliche, die von zu Hause ausziehen, ist eine Vorbereitung auf das Erwachsenenleben. Am wichtigsten, was das Denken betrifft, sind die Eltern. Und wenn man von den Eltern keine Werte und kein praktisches Wissen vermittelt bekommen hat, dann wird man sein Leben nicht auf die Reihe bekommen oder sehr lange brauchen.
Unser Ziel ist es auch, die Eltern selbst zu unterrichten. Und das ist der Grund, warum wir oft mit Psychologen arbeiten, die den Eltern zuerst erklären, wie sie mit Kriegstraumata umgehen können und was sie im Umgang mit ihren Kindern beachten sollen. Die Eltern, die zu uns ins Zentrum kommen, sind sehr kooperativ. Wir laden viele Menschen ein, aber es gibt eine Anzahl von Menschen, die niemals kommen.
Ich kenne einige Organisationen, die nur eine Illusion von Arbeit verbreiten, aber trotzdem Zuschüsse beziehen. Und eine andere Organisation hilft zwar, aber in meinen Augen nicht auf eine sinnvolle Art und Weise. Wir haben nicht überall dieselben Probleme und die gleiche Art von Hilfe an allen Orten funktioniert nicht. Wenn eine Organisation zum Beispiel Essen und Kleidung verteilt, nehmen die Menschen das, aber letztlich werden sie nur abhängig. Und irgendwann sagen die Leute dann, ihr müsst uns aber helfen. Also, manche Organisationen haben zwar gute Absichten, aber sie wissen nicht, wie sie diese umsetzen sollen.
Eine sinnvolle Möglichkeit zu helfen ist es, in Business zu investieren, weil das die Region nachhaltig verbessern kann.
Das wichtigste Bedürfnis für hiesige Kinder sind die Eltern und die Beziehungen zu den Eltern. Der Krieg hat die Psyche der Kinder stark verändert und Traumata verursacht. Jedes Kind braucht laut der Pyramide von Maslow Sicherheit und vor dem Krieg war dieses Bedürfnis auch schon da. Aber erst infolge des Krieges fühlt jeder, wie stark dieses Bedürfnis wirklich ist, weil die Sicherheit fehlt. Wenn man mit den Menschen spricht, dann sagen sie immer zuerst, dass sie Frieden wollen, auch wenn sie die Bedingungen dafür nicht immer verstehen.
Das zweite, wichtige Bedürfnis sollte Bildung sein und viele Menschen hier verstehen das nicht. Wenn sie keine Bildung haben, können sie jedoch leicht falsche Entscheidungen in ihrem Leben treffen.«
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