english deutsch KILIAN FOERSTER
Albina, 12 Jahre, lebt in Mykolaivka
»Im Jahr 2014 kam Yellow Bus das erste Mal zu uns nach Mykolaivka. In der Nachbarklasse gab es ein Gespräch über den Krieg und den Wiederaufbau der Schule. Und ich habe dann 2014 Yellow Bus hier kennengelernt.<< >>
Es war angenehm, den Leuten von Yellow Bus zuzuhören und interessant, dass sie uns geholfen haben und dass uns auch jemand besucht, nachdem der Krieg hier stattgefunden hatte. Wir haben damals auch gelernt, welche Schutzmöglichkeiten es gibt, also z. B. wie man mit Blindgängern und Patronen umgeht.
Ich hole mir meine Informationen übers Internet - heute sind die meisten Jugendlichen am Internet oder an sozialen Netzwerken interessiert. Gleichzeitig lese ich auch Bücher und erfahre aus den Bücher Neuigkeiten, z. B. lesen wir in den Sommerferien Bücher für die Schule.
Als der Krieg in Mykolaivka war, bin ich nicht weggezogen. Wir haben uns im Keller aufgehalten. Es war eine sehr schwierige Zeit, als hier drei Tage lang geschossen wurde und ein Nachbarhaus von einer Bombe getroffen wurde und fünf Stockwerke des Gebäudes einstürzten. Das war schrecklich und was passiert ist, das beschäftigt einen sehr lange.
Der Krieg hat mich also auch persönlich betroffen und ich habe immer noch die Erinnerungen an den Krieg in meinem Kopf. Ich denke, dass man nur mit Worten den Krieg nicht verstehen kann, man muss es selbst erlebt haben. Alle meine Bekannten, die nicht aus Mykolaivka kommen und sagen, das wäre alles nicht so schlimm, versuche ich zu ignorieren und vor ihnen meine Augen zu schließen. Ich versuche, ihren Äußerungen nicht so sehr Beachtung zu schenken. Eigentlich schweige ich auch über das, was geschehen ist, aber wenn sie mit mir ein Gespräch suchen, dann sage ich, dass sie anders denken und reden würden, wenn sie es selbst mitgemacht hätten.
Für mich war das damals sehr schwierig, ich war erst sechs Jahre alt. Wir waren kürzlich in Kyiv und haben dort Studenten Kurzfilme über den Krieg gezeigt und die Studenten waren von unseren Filmen sehr bewegt und manche haben geweint, als sie die Filme gesehen haben. Ich denke, dass die Menschen in der Ukraine Mitgefühl mit uns haben, aber die Menschen im Ausland verstehen kaum, was hier passiert ist.
Am liebsten arbeite ich mit Fotografie und Video. Und ich schreibe auch, z. B. schreibe ich eigene Artikel für die Presse. Ich schreibe gerne, weil mich die Meinung von anderen interessiert, z. B. wenn ich Interviews führe. Am Ende mache ich aus den Interviews einen Artikel und ich freue mich, meinen Artikel zu lesen.
Die Hälfte meiner Freunde lebt in den besetzten Gebieten und ich habe auch Bekanntschaften durch meine Reisen in die besetzten Gebiete. Ich versuche, mit ihnen nicht über den Krieg zu sprechen, denn wenn ich es versucht hatte, dann wurden sie sehr traurig und baten mich, nicht darüber zu reden. Ich hatte mich mit einem Freund über den Krieg unterhalten und er sagte, dass es so schrecklich ist, dass man es nicht einmal seinem Feind wünschen möchte.
Als wir drei Tage wegen der Schießereien im Keller bleiben mussten, sind wir überhaupt nicht rausgegangen. Manchmal sind wir nur ganz kurz in unser Haus hochgelaufen. Wir hatten unsere Kleider schon zurechtgelegt, damit wir sie schnell in den Keller mitnehmen konnten, wenn etwas passiert. Manchmal sind wir barfuß in den Keller gerannt, weil wir keine Zeit hatten, uns die Schuhe anzuziehen. Es passierte alles so schnell und mein Vater hat mich auf seinen Armen in den Keller getragen. Nach den drei Tagen im Keller mussten wir zwei Wochen in einem Gartenpavillon verbringen und dort haben wir mit Gesprächen versucht, uns abzulenken und zu vergessen, was wir erlebt haben. Im Pavillon haben wir damals auch gegessen. Als es wieder Strom gab und wir Zugang zu Informationen hatten, sind meine Eltern sofort zum Fernseher gelaufen, um die Nachrichten zu sehen. Sie wollten wissen, was passiert ist und so ist der Krieg in Mykolaivka für mich zu Ende gegangen.
Unser Klassenlehrer hat einmal das Kriegsthema und die Veränderungen angesprochen und eine Schülerin wurde dann sehr traurig, hat die Klasse verlassen und fing an zu weinen. Ich habe sie dann gefragt, was mit ihr los sei und sie sagte, dass sie das Kriegsthema nicht mehr hören möchte und das hat mich auch betroffen gemacht. Wir haben dann miteinander gesprochen und versucht, uns zu beruhigen und gesagt, dass der Krieg für uns jetzt vorbei ist.
Jetzt versuche ich, den Krieg zu vergessen. Es ist schrecklich, den Krieg immer noch in den Nachrichten zu sehen und ich konnte mir nicht vorstellen, dass so etwas passieren kann. Ich versuche, mich abzulenken und sage mir, dass es sich hoffentlich nicht noch einmal wiederholt.
Wir versuchen heute auch mehr in Orten, wo Menschen den Krieg nicht erlebt haben, davon zu erzählen und zu berichten, was genau bei uns geschehen ist. Und in diesem Zusammenhang zeigen wir auch unsere Kurzfilme über den Krieg und die Menschen interessieren sich dafür. Wir haben auch Kurzfilme mit anderen Inhalten gemacht, z. B. über Ökologie oder Umweltthemen in unserer Stadt.«