english deutsch KILIAN FOERSTER
…»Woher kommst du?«
»Aus der weiten Welt.«
»Und wohin willst du?«
»Nach Hause.«
»Wo steht dein Haus?«
»Wo mein Haus steht? Das weiß ich nicht.«…
— Janusz Korczak: König Macius auf der einsamen Insel
Nach der von den USA angeführten Invasion im Jahr 2003 und dem Sturz des Diktators Saddam Hussein
gibt es im Irak bis heute keine Versöhnung zwischen Sunniten, Schiiten, Kurden und Arabern.
Bis Ende 2007 waren 4,7 Millionen Iraker auf der Flucht, davon allein 2,7 Millionen innerhalb des Landes.
Nachdem IS - auch Daesh genannt - im Sommer 2014 ein Kalifat im Irak (und Syrien) ausrief,
besteht zurzeit keine Aussicht mehr auf ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen und Ethnien;
insbesondere der religiösen Minderheit der Yeziden droht ein Genozid.
Bislang flüchteten zwei Millionen Menschen (moderate Sunniten, Christen, Schiiten, Yeziden) im Irak und Syrien
vor der Terrormiliz Daesh, davon ungefähr die Hälfte in die relativ sichere Autonome Region Kurdistan im Nordirak.
Ende Dezember 2014 habe ich in einem Flüchtlingslager im Nordirak mit irakischen Kindern gesprochen und sie fotografiert.
Ich danke Ilyas Yanc und Khalid Tisani für die Unterstützung.
IS oder ISIS ist in allen Aussagen der Kinder durch den Begriff Daesh ersetzt worden.
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Als ich im Dezember 2014 ein Flüchtlingslager im Irak/Kurdistan besuchte, wünschten sich die Kinder,
mit denen ich gesprochen hatte, meistens zwei Dinge:
Einmal, dass sie in ihre Heimat Sindschar zurückkönnen und ihre früheren Freunde und Verwandten wieder treffen
und zweitens, dass sie eine Schule besuchen dürfen.
Die Rückkehr nach Sindschar ist bislang aus Sicherheitsgründen nicht möglich,
aber der zweite Wunsch hat sich für viele Kinder im Flüchtlingslager erfüllt.
Im Oktober 2016 besuchte ich das gleiche Flüchtlingslager noch einmal. Zurzeit leben dort über 26 000 Menschen.
Ich danke Khalid Tisani und allen Menschen in Irak/Kurdistan, die mich bei dieser Arbeit unterstützt haben.
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Bis zum Sommer 2014 war der Distrikt Sindschar mit dem Gebirgszug Dschabal Sindschar im Nordwesten des Iraks die Heimat und Hochburg der Jesiden, einer religiösen Minderheit im Irak.
Am 03. August 2014 startete die Terrormiliz IS (im folgenden als Daesh bezeichnet) einen Genozid an den Jesiden in Sindschar.
Jesidische Männer und ältere, jesidische Frauen, denen nicht die Flucht gelang, wurden von Daesh ermordet und in Massengräbern verscharrt. Mindestens 6800 jüngere Jesidinnen und Kinder wurden von Daesh gefangen genommen. Frauen und Mädchen wurden brutal missbraucht und als Sexsklaven verkauft. Jesidische Jungen wurden von Daesh einer Gehirnwäsche unterzogen mit dem Ziel, sie als Kämpfer in Terroroperationen einzusetzen.
Im November 2015 gelang einer Allianz aus kurdischen und jesidischen Milizen mit Unterstützung der amerikanischen Luftwaffe, Daesh wieder aus Sindschar zu vertreiben.
Bis heute allerdings lebt die Mehrheit der früheren Bewohner aus Sindschar in Flüchtlingslagern im Nordirak oder ist ins Ausland emigriert. Zudem leben immer noch tausende Jesiden in Zelten im Sindschargebirge, wo sie sich im Sommer 2014 vor Daesh in Sicherheit brachten.
Nur ein Bruchteil der ehemaligen Bevölkerung ist wieder nach Sindschar zurückgekehrt - zu unsicher ist die Sicherheitslage, in manchen Gebieten liegen noch Minen und Sprengfallen und die zerstörte Infrastruktur ist bis heute nicht aufgebaut.
Ende April 2019 habe ich zum dritten Mal ein Flüchtlingscamp in Nordirak besucht. Dort habe ich Kinder aus Sindschar wiedergetroffen, mit denen ich schon Ende 2014 kurz nach ihrer Flucht gesprochen hatte.
Daneben habe ich Sindschar besucht und im Sindschargebirge mit Kindern gesprochen und sie fotografiert, die dort unter harten Bedingungen seit fünf Jahren in Zelten leben.
Ich danke Khalid Tisani, Khaleel Naser Sulaiman, Ilyas Yanc, Sahab Dag, ein extra Dank an Jalal Daoud und allen Menschen im Irak,
die mich bei dieser Arbeit unterstützt haben.
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Sieben Jahre nach der Flucht vor dem Genozid leben weiterhin rund 210 000 Jesiden unter schwierigen Bedingungen in den Lagern für Binnenvertriebene in der Autonomen Region Kurdistan im Irak. Fast 150.000 jesidische Binnenvertriebene sind in ihre ursprüngliche Heimat zurückgekehrt.
Die Situation in Sindschar ist nach wie vor komplex: Die Infrastruktur ist zerstört und nur wenig wurde wieder aufgebaut, die Mehrheit der Menschen ist arbeitslos und die Sicherheitslage ist instabil. Viele Faktoren tragen zur Instabilität bei, darunter der Streit zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der Regionalregierung Kurdistans um Sindschar, Korruption und Vetternwirtschaft sowie die Präsenz einer Reihe bewaffneter Gruppen, darunter die PKK und die PMF.
Sindschar hat sich in jüngster Zeit zu einer Region mit starkem geopolitischem Einfluss entwickelt. Die Politik ausländischer Mächte im Irak wie der Türkei und des Iran ist einer der Gründe, der viele Binnenvertriebene, die aus der Sindschar-Region geflohen sind, von einer Rückkehr abhält.
Ende Oktober 2021 war ich wieder im Flüchtlingslager im Nordirak in der Nähe der Stadt Zakho und auch im Sindschargebirge, wo ich Kinder in einem Flüchtlingscamp wieder traf, die ich bereits vor zweieinhalb Jahren porträtierte.
Daneben habe ich mit Herrn Alexander Hug, Leiter des Irakprogramms vom ICMP (International Commission on Missing Persons) gesprochen.
Ich danke Nora, Khalid und ein extra Dank an Jalal Daoud und allen Menschen im Irak, die mich bei dieser Arbeit unterstützt haben.
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